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Vegane Schwangerschaft

Mein Arzt sagt, ich müsse jeden Tag einen Liter Kuhmilch trinken. Meine Eltern sind überzeugt, daß ich etwas falsch mache. Ich fange an, zu zweifeln, ob meine Ernährungsweise die Richtige ist.

Selbst die überzeugteste und sachkundigste Veganerin kann mit Zweifeln konfrontiert werden, wenn sie schwanger ist. Schließlich stellen alle sogenannten Experten ihre Ernährung in Frage. Tatsächlich ist es absolut einfach, während einer Schwangerschaft vegan zu leben und dabei Lebensmittel zu essen, die den eigenen Nährstoffbedarf sowie den des Kindes decken. Ich weiß das, denn ich habe es selbst zweimal erlebt. Hier sind ein paar Dinge, die zu beachten sind.

Gewichtszunahme

Wieviel Gewicht Sie während der Schwangerschaft zunehmen hat einen merklichen Einfluß auf Gesundheit und Größe des Babys bei der Geburt. Frauen mit Normalgewicht sollten eine Gewichtszunahme von 25-35 Pfund [Anm. d. Übers.: es handelt sich hierbei um das amerikanische Maß; 1 Pfund sind 454 Gramm] anstreben, übergewichtige Frauen sollten sich bemühen 15-25 Pfund zuzunehmen. Waren Sie vor der Schwangerschaft untergewichtig, sollten Sie bestrebt ein, 28-40 Pfund zuzunehmen. Jugendliche können 30-45 Pfund zunehmen. Der allgemeine Trend ist, in den ersten 12 Wochen nur wenig zuzunehmen. Im zweiten und dritten Trimester ist eine Zunahme von einem Pfund pro Woche üblich. Viele Veganerinnen beginnen die Schwangerschaft schlank und können nur langsam an Gewicht zunehmen. Wer davon betroffen ist, sollte mehr essen. Es kann helfen, öfter oder Lebensmittel mit einem höheren Fettgehalt zu essen. Ich fand es sehr leicht, zusätzliche Kalorien zu trinken und genoß für einige Wochen, während ich wenig Gewicht zunahm, abends einen Sojamilch-Shake (Sojamilch gemixt mit Früchten und Tofu oder Sojajoghurt. Andere kalorienreiche Lebensmittel sind Nüsse und Nußmus, getrocknete Früchte, Sojaprodukte und Bohnenaufstriche bzw. Dips. Falls Ihnen die Gewichtszunahme allerdings zu groß erscheinen sollte, sollten Sie darauf achten, welche Nahrungsittel Sie zu sich nehmen. Einfach Süßigkeiten und fettes Essen durch Früchte, Gemüse, ballaststoffreiche Lebensmittel und Hülsenfrüchte zu ersetzen, kann zu einer moderateren Gewichtszunahme führen. Täglich Bewegung kann nach Absprache mit dem Arzt ebenso helfen.

Eiweiß

Sie werden wahrscheinlich jede Menge Fragen hören, ob Sie genügend Eiweiß zu sich nehmen. Derzeitige Empfehlungen zur Proteinzufuhr in der Schwangerschaft sprechen von 60 Gramm am Tag. Das sind 10 Gramm mehr als nicht schwangere Frauen zwischen 25 und 50 benötigen. Eine Studie hat gezeigt, daß die durchschnittliche nicht schwangere vegane Frau täglich 65 Gramm Protein zu sich nimmt, genug um ihren Bedarf während der Schwangerschaft zu decken.(2) Wenn Ihre Ernährung abwechslungsreich ist und gute Proteinquellen wie Sojaprodukte, Bohnen und Hülsenfrüchte enthält und Sie an Gewicht zunehmen, brauchen Sie sich keine Sorgen um Ihre Proteinzufuhr zu machen. Viele Frauen bekommen die Proteine, die sie zusätzlich benötigen, indem sie einfach mehr als sonst essen. Man kann zum Beispiel die Proteinzufuhr um 10-15 Gramm erhöhen, indem man zusätzlich 2 Tassen Sojamilch, 250g Tofu, 80-90g Tempeh oder 1 ½ Bagels zu sich nimmt.

Kalzium und Vitamin D

Veganer werden außerdem oft nach ihrer Kalziumzufuhr gefragt. Sowohl Kalzium als auch Vitamin D werden für die Entwicklung der Knochen und Zähne des Babys benötigt. Es gibt Anzeichen dafür, daß schwangere Frauen sich an niedrige Kalzium-Aufnahme und gesteigerten Bedarf durch wachsende Kalzium-Absorption und Verringerung von Kalziumverlusten anpassen.(3) Das ist sicherlich eine weitere Studie wert und könnte für Veganer, deren Ernährung wenig Kalzium enthält, von Bedeutung sein. Derzeit wird jedoch eine Kalzium-Aufnahme von täglich 1200 mg für Frauen unter 25 und 600-1200mg täglich für Frauen ab 25 empfohlen.(1) Schwangere Veganerinnen sollten besondere Anstrengungen unternehmen, mind. 3-4 gute Kalziumquellen täglich zu sich zu nehmen. Einige pflanzenbasierende Kalziumquellen, die gut aufgenommen werden, sind kalziumangereicherte Sojamilch und Orangensaft; dunkelgrüne Blattgemüse, Kohl, Rübenkraut und Tofu mit Kalzium als Gerinnungsmittel. (Der Kalzium-Gehalt von Tofu schwankt, Etiketten lesen.) Während ausreichende Mengen Vitamin D von unserem Körper durch Sonneneinstrahlung produziert werden können, ist es schwierig, angemessene Sonneneinstrahlung festzulegen.(4) Die National Academy of Sciences empfiehlt schwangeren Veganerinnen, die in nördlichen Breitengraden und solchen mit minimaler Sonneneinstrahlung leben, im Winter eine Vitamin D-Ergänzung von 10 Mikrogramm (400 IU) täglich einzunehmen.(1) Vitamin D-Supplemente sollten nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden, da hohe Dosen von Vitamin D toxisch wirken können. Angereicherte Lebensmittel wie manche Cerealien und einige Sorten Sojamilch sind eine weitere Möglichkeit, den Vitamin D- Bedarf zu decken

Eisen

Eisenmangel und Anämie sind nicht selten während einer Schwangerschaft, unter Veganern wie Nichtvegetariern. Der Eisenbedarf ist durch die Zunahme des Blutvolumens der Mutter und wegen der Bildung des Blutes für das Baby in der Schwangerschaft sehr viel höher als normalerweise. Für das zweite und dritte Trimester werden Eisensupplemente von 30 Milligramm pro Tag empfohlen.(1) Im Fall eines Eisenmangels kann zusätzliches Eisen benötigt werden. Eisensupplemente sollten mit den Mahlzeiten und nicht zusammen mit Kalziumsupplementen eingenommen werden, um die Aufnahme zu verbessern. Selbst wenn Eisensupplemente eingenommen werden, sollten schwangere Veganerinnen täglich Lebensmittel mit hohem Eisengehalt wie Vollkornprodukte, getrocknete Bohnen, Tofu und grünes Blattgemüse zu sich nehmen.

Vitamin B12

Die Einnahme von Vitamin B12-Supplementen oder angereicherten Nahrungsmitteln wird für alle schwangeren Veganerinnen empfohlen. Vitamin B12 spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Fötus’. Während der Stillzeit ist es ebenfalls wichtig, sicherzustellen, daß der B12-Speicher voll genug ist, um die Bedürfnisse des Baby abzudecken. Angereicherte Lebensmittel können Frühstückscerealien, Sojamilch oder Nährhefe sein.

Folsäure

Folsäure wurde vor kurzem in den Nachrichten im Zusammenhang mit einem Geburtsfehler (Schädigung des Neuralrohres) genannt. Studien haben gezeigt, daß Frauen, die Kinder mit einer Schädigung des Neuralrohres haben, eine geringere Folatzufuhr sowie einen niedrigeren Folatspiegel im Blut haben als andere Frauen. Folsäure wird in einem frühen Stadium der Schwangerschaft (bevor viele Frauen wissen, daß sie schwanger sind) für einen normalen Aufbau des Neuralrohres benötigt. Viele vegane Lebensmittel wie angereichertes Brot [Anm. des Übersetzers: mir ist solch ein Brot in Deutschland nicht bekannt, aber es dürfte, wie hier weiter ausgeführt, genügend andere Quellen geben], Nudeln, Cerealien, getrocknete Bohnen, grünes Blattgemüse und Orangensaft sind gute Folsäure-Quellen. Die vegane Ernährung tendiert dazu, reich an Folsäure zu sein; doch um sicherzugehen, empfehlen viele Ernährungswissenschaftler Multivitamine mit 400 Mikrogramm Folsäure. Die Empfehlung einer pflanzenbasierenden Vollwertkost klingt für viele schwangere Frauen wunderbar. Wo ist also das Problem, sich gesund vegan zu ernähren?

Übelkeit und Erbrechen

Übelkeit und Erbrechen betreffen viele schwangere Frauen, auch vegane. Viele Frauen fühlen sich abgestoßen von Nahrungsmitteln, die bisher den Großteil ihrer Ernährung ausmachten. Diese Abneigungen treten vor allem in der frühen Schwangerschaft auf, und es wird angenommen, daß sie durch eine Sensibilisierung des Geruchssinns verursacht werden, möglicherweise auch durch hormonelle Veränderungen.(5) Auch wenn jede Frau und jede Schwangerschaft, was den Umgang mit Übelkeit und Erbrechen betrifft, anders ist, gebe ich hier ein paar Tips: Wenn etwas gut schmeckt, essen Sie es! Ich kann mich erinnern, daß ich tagelang nichts anders als Salziges und Ginger Ale wollte. Eines Tages wärmte mein Ehemann einige Pastareste auf und es roch wundervoll. Ich aß drei Schüsseln voll und habe es nicht bedauert. Versuchen Sie, fettarme kohlenhydratreiche Lebensmittel zu essen. Diese werden schneller verdaut und verbleiben kürzer im Magen, haben also weniger Zeit, Übelkeit zu verursachen. Essen Sie oft. Manchmal wird Übelkeit auch von Hunger verursacht. Vermeiden sie stark riechende Lebensmittel. Manchmal werden kalte Gerichte besser angenommen als warme, weil sie nicht so stark riechen. Überlassen Sie das Kochen jemand anderem und gehen sie währenddessen aus dem Haus. Achten Sie darauf, Säfte, Wasser, Sojamilch oder Miso Brühe zu trinken, wenn Sie keine feste Nahrung zu sich nehmen können. Versuchen Sie zu essen, was immer Sie können. Suchen Sie Ihren Arzt auf, wenn Sie nicht in der Lage sind, ausreichend Flüssigkeit aufzunehmen.

Zeitmangel

Wenn sie Vollzeit arbeiten, zu Hause oder außerhalb, wird der Gedanke an die Zubereitung komplizierter Gerichte wahrscheinlich entmutigend wirken. Gerichte müssen nicht kompliziert sein. Eine Mahlzeit kann so etwas einfaches wie eine Schüssel mit Cerealien und Früchten mit Sojamilch, Erdnußbutter und Cracker, oder Bratkartoffeln mit Salat sein. Nutzen Sie Convenience Food wie Bohnen aus der Dose, Tiefkühlgemüse, bereits gehacktes Gemüse und Tiefkühl-Fertiggerichte [Anm. des Übersetzers: In Deutschland sind vegane TK-Fertiggerichte kaum zu bekommen.] um den Zeitaufwand für die Essenszubereitung zu reduzieren. Nutzen Sie zeitsparende Geräte wie crock-pots [elektrischer Kocher (Tontopf in einem Gehäuse, mit dem man bei niedriger Temperatur über längere Zeit kocht - hierzulande quasi unbekannt], Dampfkochtopf und Mikrowelle. Kochen Sie mengenmäßig mehr, um Reste zu haben. Probieren Sie für neue Ideen einige vegane Kochbücher aus.

Ihr Arzt

Auch wenn viele Ärzte, Geburtshelfer, Krankenschwestern und Hebammen einiges über Ernährung wissen mögen, sind viele nicht vertraut mit vegetarischen Ernährungsformen, insbesondere nicht mit Veganismus. Ihr Arzt könnte Fragen haben zu dem, was Sie essen und ob Sie in der Lage sind, Ihren Nährstoffbedarf zu decken. Betrachten Sie das als eine Möglichkeit, jemanden über vegane Ernährung aufzuklären. Geben Sie ihm diesen und andere Artikel zum Thema. Aufzuzeichnen, was Sie essen, könnte helfen, Ihren Arzt zu überzeugen, daß Sie es richtig machen oder könnte zeigen, wo Verbesserungen nötig sind. Wenn Sie spezielle Sorgen und Fragen haben, können Sie einen Ernährungswissenschaftler mit Kenntnissen über vegetarische Ernährung konsultieren. Denken Sie immer daran: eine ausgewogene vegane Ernährung in dieser aufregenden Zeit kann Ihren Nährstoffbedarf und den Ihres Babys decken.

Quellen

Quellen 1. Institute of Medicine Subcommittee on Nutritional Status and Weight Gain During Pregnancy. Nutrition During Pregnancy. 1990. National Academy Press.
2. Carlson E., et al. 1985. A comparative evaluation of vegan, vegetarian, and omnivore diets. J Plant Foods 6:89-100.
3. Prentice A. 1994. Maternal calcium requirements during pregnancy and lactation. Am J Clin Nutr 59(suppl): 477S-83S.
4. Specker B.L. 1994. Do North American women need supplemental vitamin D during pregnancy or lactation? Am J Clin Nutr 59(suppl):484S-91S.
5. Erick M. 1994. Hyperolfaction as a factor in hyperemesis gravidarum. Considerations for nutritional management. Perspectives in Applied Nutrition 2:3-9.
The Vegan Diet During Pregnancy, Lactation, and Childhood, a 12-page handout by Reed Mangels, Ph.D., R.D., available for $3.00 from The Vegetarian Resource Group.
Meatless Meals for Working People, by Debra Wasserman and Charles Stahler, available for $12 from The Vegetarian Resource Group.
Simply Vegan, by Debra Wasserman and Reed Mangels, Ph.D., R.D., available for $13 from The Vegetarian Resource Group. Fact Sheet: Vegetarian Diets in Pregnancy, send SASE to Vegetarian Nutrition DPG, c/o Carol Coughlin, R.D., 191 Baldwin Street, Leicester, MA 01524. The Vegetarian Way, by Virginia Messina, M.P.H., R.D., and Mark Messina, Ph.D., New York: Crown Trade Paperbacks, 1996, $24.